Kaspar

Das Stück entstand auf der Grundlage des gleichnamigen Theaterstücks von Peter Handke sowie der Geschichte des Kaspar Hauser.

Handkes Gedankenexperiment – Mensch trifft auf Sprache, als ob Sprache ein vom Menschen losgelöstes Phänomen sei – übersetzt auf den Tanz: Mensch trifft auf seine Bewegungen – des Körpers und des Mundes im Versuch, Worte zu bilden – als seien sie fremdgesteuert, ihm nicht zugehörig. Bevor er sich seinen Körper, seine Bewegungen nicht aneignen kann, sind sie ihm Feind.

So wird Kaspar zur tragikomischen Gestalt, die auch zum Lachen reizt in ihrem angestrengten Bemühen, die desolaten Glieder zusammen zu halten, die ihm wie ungezähmte Pferde davon gehen, - oder in dem Versuch, die Funktionsweise der Beine zu begreifen und Schritte zu setzen. Und immer wieder fällt Kaspar und steht wieder auf und fällt er und steht wieder auf, und begreift allmählich unter Zuhilfenahme der Sprache, dass das Fallen weniger wehtut, seit er weiß, dass er darüber sprechen kann, dass das Fallen aber doppelt so weh tut, seit er weiß, dass andere darüber sprechen können.

 

Begleitender Prozess während der Entstehung des Stückes, zur Annäherung an die Figur des Kaspar, war eine mehrwöchige Lebensweise unter dem Motto: „Nicht wissen, wie es geht.“  Schnürsenkel schnüren, als ob man noch nie Schnürsenkel geschnürt hätte, sich auf einen Stuhl setzen wie zum ersten Mal, die Möglichkeiten der Hand im Umgang mit Türklinken, Wasserhähnen etc. erproben. – Der Effekt war eine starke Verlangsamung des Lebensrhythmus, Ausdehnung der Zeit, Erstaunen über die Komplexität der einfachsten  (ansonsten automatisierten) Bewegungsabläufe. Wieder Staunen lernen wie ein Kind.

 

Zitat aus „Kaspar“ von Peter Handke:

„Seit ich sprechen kann, kann ich ordnungsgemäß aufstehen, aber das Fallen tut erst weh, seit ich sprechen kann; aber das Wehtun beim Fallen ist halb so schlimm, seit ich weiß, dass ich über das Wehtun sprechen kann; aber das Fallen ist doppelt so schlimm, seit ich weiß, dass man über mein Fallen sprechen kann; aber das Fallen tut überhaupt nicht mehr weh, seit ich weiß, dass ich das Wehtun vergessen kann; aber das Wehtun hört überhaupt nicht mehr auf, seit ich weiß, dass ich mich des Fallens schämen kann.“

 

Aufführung des Solos im Living Theater, New York 1992