DER JAKOBSWEG. Die Strecke Pyrenäen - Finisterre eine Kraftachse, eine Energieleitbahn auf dem Erdleib. Die Erde scheint überzogen von diesen Leitbahnen, ähnlich, wie der menschliche Körper - gemäß den alten Chinesen - von einem Netzwerk an Meridianen überzogen ist. Durch das Pilgern auf dieser Achse werde sie sozusagen “massiert”, erklärt mir ein Pilger, der sich als Erdheiler versteht. Ich frage ihn, ob es auch eine Überstimulierung geben könne bei zu kräftiger Massage, sprich zu vielen Pilgern. Darüber hatte er noch nicht nachgedacht. Die Kraftachse entstehe durch besondere geologische Formationen und den Verlauf der Milchstraße direkt über dem Jakobsweg. Es gebe verschiedene Kraft-Orte auf dieser Strecke wie es Akupunkturpunkte gibt. An diesen Orten, die meist auf Anhöhen gelegen sind, wurden häufig Tempel oder Kirchen gebaut oder sie wurden (und werden noch) für Rituale genutzt.
Der Weg ist viel älter als das Christentum. Schon die Kelten, die Druiden sind ihn gegangen und haben den äußersten Westzipfel Spaniens, das “Ende der Welt”, Blick aufs unendlich scheinende Meer, zum Ziel gewählt. Dort scherten sie sich Haare und Bart, verbrannten ihre Kleider und übergaben ihr letztes Hab und Gut wie auch den Wanderstab dem Meer, zum Zeichen ihres Vertrauens, dass ihnen alles, was sie brauchen, zufallen wird. Es gibt auch heute noch Pilger, die dieses alte Ritual nachvollziehen.
Später haben sich die Christen diesen Weg angeeignet und ihn Jakobsweg genannt, nach dem Heiligen Jakob, einem Jünger Jesu. Die Knochen des in Jerusalem geköpften Jacobus sollen in der Nähe von Finisterre gefunden worden sein. Sicher ist es nicht, dass dies wirklich die Knochen des Jakob waren, aber es brauchte einen Anlass, die Kraft der katholischen Kirche angesichts des Vormarsches der Mauren zu stärken. Und es wirkte.
An jenem Ort, wo die Knochen gefunden wurden, baute man eine prächtige Kathedrale und um die Kathedrale eine Stadt, die “Santiago de Compostela” genannt wurde. Zum Symbol der Jakobspilger wurde eine Muschel gewählt, wie sie an den Stränden Finisterres zu finden ist, die den Namen Jakobsmuschel bekam. Ursprünglich ist die Jakobsmuschel unter dem Namen Venusmuschel ein altes heidnisches Symbol für Weiblichkeit und Fruchtbarkeit. Es ist auch jene Muschel, in welcher die entblößte “Venus” von Botticelli grazil mehr schwebt denn steht und ihre weiche Hüfte dem Betrachter zum visuellen Genuss anbietet.
Auszug aus dem Jakobsweg-Tagebuch von Susanne Brian