Auszüge aus einem Interview in der Berliner Zeitschrift „KörperGeistSeele“, April 2006 |
Alexandra Giray: Du bist drei Monate lang den Jakobsweg gegangen. Was hat dich dazu bewogen? Welche innere Entscheidung lag dem Entschluss zugrunde?
Susanne Brian: Ich befand mich in einer Phase, wo ich glaubte, den Überblick über mein Leben zu verlieren. Es schien mir, als ob sich die Stadt Berlin über mich stülpte wie ein zu großer Hut, der über die Augen rutscht und die Sicht versperrt. Ich hatte das dringende Bedürfnis nach einer Auszeit, herauszufallen aus der Zeit. Nach einer schlichten klaren Aufgabe. Mir gefiel die Idee, im Rhythmus des Gehens den Kopf zu „verlieren“ und ins Herz zu rutschen. An nichts weiter denken zu müssen als an den nächsten Schritt. Mich einzuschwingen auf die Naur wie in einem Tanz. Ich sehnte mich danach, ganz in die Gegenwart einzutauchen. Nach Religion im Ursprungssinn des Wortes – der Rückbindung an die Wurzeln. Alexandra Giray: Was war deine Erfahrung? Welche Essenz hast du daraus gelernt? Susanne Brian: Bin still geworden, habe nach innen gelauscht und mein eigenes Lied wieder gefunden. - Hab wieder spüren, schmecken, wahrnehmen gelernt in verloren geglaubter Intensität. Habe entdeckt, wie wenig es braucht, um glücklich zu sein: eine Garnitur Kleider zum Wechseln, Gaskocher, Matte, Schlafsack und ein lachendes Herz. Das Haus auf dem Rücken tragen wie die Schnecke. Schritt für Schritt. Das Ziel kennen und es doch vergessen. Nur der Moment zählt und der Moment zeigt sich in ungeahnter Ausdehnung und Fülle. - Erfahrung von wer ich bin, wenn mir vor Müdigkeit die Knie wegsacken und nichts von dem alten Ich aufrecht erhalten werden kann, wenn mit dem Schweiß auch alle Identitäten von mir abrinnen. Erfahrung von purem Sein. - Habe das Vertrauen zurück gewonnen, dass nichts mir schaden kann, dass es von allem genug gibt und das Ungewisse wunderbare Überraschungen in sich birgt. |